DER SPIEGEL 39 / 2017 Das kann Schule machen! Die Europaschule SII Utbremen im SPIEGEL

„In Sachen Medienkompetenz sind deutsche Schüler… allenfalls Mittelmaß,“ schrieb der „Spiegel“ über das Thema Digitalisierung an Deutschlands Schulen. Die Europaschule Schulzentrum S II Utbremen konnte die Spiegel-Redaktion von dem Medienkonzept der Schule überzeugen. In einem Teilstück wurde die Europaschule Schulzentrum S II Utbremen als Vorreiterschule für Digitale Medien vorgestellt.

I. Digitalisierung

Ein Dauerthema in vielen Familien: der richtige Umgang mit dem Handy. Wenn Eltern darauf hoffen, dass ihre Kinder in der Schule lernen, wie sich das Daddelgerät auch sinnvoll nutzen lässt, werden sie oft enttäuscht. Ein Computerraum findet sich zwar an vielen Schulen, aber im Unterricht sind Computer und Tablets oft Fremdkörper, Smartphones in den allermeisten Fällen sogar verboten. Eines der beliebtesten technischen Geräte an deutschen Schulen ist noch immer: der Overheadprojektor.

In Sachen Medienkompetenz sind deutsche Schüler denn auch allenfalls Mittelmaß. Zu diesem Ergebnis kam die International Computer and Information Literacy Study (ICILS) im Jahr 2014, eine internationale Untersuchung unter Achtklässlern. Heißt: Schüler können zwar sehr
gut WhatsApp-Nachrichten schreiben, hüb - sche Fotos bei Instagram hochladen und sich Wissen für Referate zusammengoogeln, aber kompetenter Umgang mit digitalen Medien ist das noch nicht.

Die Lage sei „ernüchternd“, konstatierte die Bertelsmann Stiftung gut eine Woche vor der Wahl. „Die große Mehrheit der Lehrkräfte nimmt die Digitalisierung vor allem als zusätzliche Herausforderung wahr, nur ein kleiner Teil der Lehrerinnen und Lehrer schöpft das didaktische Potenzial digitaler Medien voll aus.“ Es fehle an Konzepten, Weiterbildung, Ausstattung. An den Schülern liege es nicht, die empfänden „beispielsweise Lernvideos als ein besonders geeignetes Instrument, um sich Wissen anzueignen“.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte vor rund einem Jahr einen fünf Milliarden schweren Digitalpakt angekündigt. Damit sollen Schulen mit Geräten und flächendeckendem WLAN ausgestattet werden. Passiert ist aber noch nichts: Woher das Geld kommt und wie es genau fließt, muss noch ausgehandelt werden – nach der Wahl.


Ein Handyverbot? Tobias Weigelt schüttelt energisch den Kopf. Das gibt es an seiner Schule nicht. Im Gegenteil: Wer ohne Tablet, Laptop oder Smartphone zum Unterricht erscheint, muss sich schleunigst eines der Ersatzgeräte holen, die an der Schule für solche Fälle bereitliegen.

Weigelt leitet die Europaschule im Bremer Stadtteil Utbremen, eine berufliche Schule mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Informatik. Die Schule arbeitet, wie das gesamte Bundesland Bremen, mit der Lernplattform „itslearning“. Lehrer hinterlegen dort Lernmaterialien für ihre Klassen, laden Erklärvideos hoch, posten die Hausaufgaben. Fällt ein Lehrer aus, kann sein Vertreter auf die Materialien zugreifen.

Die Schüler laden ihre Lösungen hoch, schauen Vertretungspläne an und chatten gelegentlich mit ihren Lehrern, wenn sie Fragen haben. „Das hat den Alltag ungemein erleichtert“, sagt Schulleiter Weigelt. Außerdem lernten die Jugendlichen so, dass Tablets und Smartphones nicht nur zum Spielen da seien, „sondern Arbeitsgeräte“, wie Weigelt es ausdrückt.

„Take out your smartphones“, fordert Englischlehrerin Sarah Felsmann ihre 24 Schüler auf. Gerade haben die Jugendlichen einen Text gelesen. Nun möchte Felsmann überprüfen, ob alle verstanden haben, worum es geht. Auf einem Bildschirm an der Wand öffnet Felsmann eine Quizsoftware, die erste Frage erscheint.

War die gerade gelesene Geschichte ...
a) eine Novelle?
b) eine Kurzgeschichte?
c) ein Gedicht?
d) ein Zeitungsartikel?

Hektisch tippen alle auf ihren Geräten. Wer ist der Schnellste mit der richtigen Antwort? „Ha, ich bin Fünfter!“, verkündet Timo, 17, zufrieden. 15 Fragen hat Felsmann vorbereitet, nach jeder Runde wird ein Zwischenstand angezeigt. Die Ersten erheben sich von ihren Plätzen wie Fußballfans in einer spannenden Spielphase, im Stehen tippt es sich anscheinend schneller. Am Ende werden die drei Sieger gekürt. Was im Wettbewerbseifer schon fast unter - geht: Alle haben den Stoff anscheinend gut verstanden. Felsmann ist zufrieden und beginnt, die Hausaufgaben zu erklären, die sie schon hochgeladen hat.

Verführt es nicht zum Spielen oder Whats - App-Schreiben, wenn das Handy auf dem Tisch liegt? „Ehrlich gesagt: Dafür habe ich gar keine Zeit“, sagt Timos Sitznachbar Elias, 15. „Ich bin im Unterricht ja die ganze Zeit beschäftigt.“ Wer schneller mit einer Aufgabe fertig ist, erhält übers Smartphone oder Tablet zusätzlichen Lernstoff. „So entsteht kein Leerlauf“, sagt Lehrerin Felsmann. Und noch einen Vorteil sieht die Pädagogin: „In den Pausen entsteht im Lehrerzimmer kein Stau mehr am Kopierer.“