Weser Kurier, 18.2.2016 - Stadtteilkurier „Bildungslandschaft im Westen bietet viel” Börje Horn, Direktor des Schulzentrums Rübekamp, sieht aktuell keinen Bedarf für weitere Oberstufe

Nach dem Referendariat in Nordrhein-Westfalen kam der gelernte Berufskraftfahrer Börje Horn, Jahrgang 1972, im Jahr 2003 an die Europaschule Schulzentrum Utbremen, wo er ab 2006 vier Jahre lang die naturwissenschaftlich-technische Abteilung leitete. Von 2010 bis 2013 war Horn an der Beruflichen Schule für Technik (BST) in Bremerhaven Schulleiter und übernahm 2013 von Friedrich-Wilhelm Hohls die Leitung des Schulzentrums am Rübekamp. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern aus dem Bremer Westen an der Gesamtschülerzahl in der allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe am Rübekamp liegt regelmäßig zwischen 60 und 65 Prozent.

Am 10. Februar endete die Anmeldephase für die Gymnasiale Oberstufe. Können Sie schon sagen, wie viele Schüler der Neuen Oberschule Gröpelingen (NOG) sich am Rübekamp angemeldet haben?

Börje Horn: Bis jetzt sind es rund 22. Es könnten noch etwas mehr werden, wenn alle Anmeldungen ausgezählt sind.

Kürzlich ist im Rahmen einer gemeinsamen Bildungsausschusssitzung des Findorffer, Waller und Gröpelinger Beirats die Diskussion über eine zusätzliche Oberstufe in Gröpelingen wieder entflammt. Wie stehen Sie dazu?

Wir haben uns hier im Bremer Westen immer als Region verstanden, so ist es seit mindestens 20 Jahren gute Tradition. Das macht die Region aus: Dass es ein Miteinander ist. Und an dieser Stelle ist es problematisch, wenn vereinzelt versucht wird, Kirchtürme zu bauen. Wir wollen das Ganze ja miteinander aufziehen. So kooperieren die verschiedenen Oberschulen in Walle und Gröpelingen eng mit dem Schulzentrum Walle und dem Schulzentrum Rübekamp, um den Schülerinnen und Schülern den Übergang in die gymnasiale Oberstufe zu erleichtern. Und wir haben gemeinsam mit dem Schulzentrum Walle gemeinsame Leistungskurse gebildet, die jedes Schulzentrum für sich nicht zustande bekäme – Türkisch zum Beispiel, Physik, oder Soziologie. Nur das Schulzentrum Findorff hat eine Sonderstellung im Bremer Westen, da es ein eigenständiges durchgängiges System von Klasse 5 bis 13 ist. Alle anderen Oberschulen haben keine eigene Oberstufe – und die gymnasialen Oberstufen haben keine eigene Sekundarstufe I.

In Gröpelingen wird immer wieder gefordert, dass auch Gröpelinger Schüler die Möglichkeit bekommen sollten, in ihrem Stadtteil Abitur machen zu können. Teilen Sie diese Ansicht?

Wir betrachten die Schüler als einen Gesamt-Schülerpool Walle-Gröpelingen. Die Schüler der NOG sind also für uns Schüler, die sonst an der Gesamtschule West (GSW), an der Helgolander Straße oder anderswo im Westen beschult würden. Das Schulzentrum Rübekamp liegt im übrigen genau an der Grenze zu Gröpelingen; wenn Sie über den Hof zur GSW hinüberlaufen, sind Sie schon in Gröpelingen.

Bräuchte der Westen angesichts wachsender Schülerzahlen nicht sogar eine zusätzliche Oberstufe?

Mein Stellvertreter Eberhard Dobers, der frühere Leiter der gymnasialen Oberstufe, und ich haben in der Vergangenheit regelmäßig ähnliche Schülerzahlen prognostiziert wie der Statistiker Lutz Jasker in der Bildungsbehörde – und wir kamen dabei der Realität immer ziemlich nah. Momentan können wir für die Zukunft sagen, dass das bestehende Angebot an Gymnasialen Oberstufen den Bedarf im Westen gut abdeckt.

Nun sind die Schülerzahlen im Bremer Westen aber bekanntlich seit Jahren ein Reizthema und in der Vergangenheit gab es dazu bei der Behörde auch durchaus Fehleinschätzungen. Außerdem wurden Flüchtlingskinder bislang nicht mit einberechnet.

Das stimmt. Aber es geht in diesem Fall ja um die eher leistungsstarken Schüler, die eine GyO-Zugangsberechtigung bekommen. Und in diesem Bereich – Flüchtlinge hin oder her – werden wir eher nicht überraschend den Riesen-Boom, also signifikante Steigerungen bei den Schülerzahlen, erleben. Wir haben am Rübekamp aktuell vier Vorkurse, darunter einen für die gymnasiale Oberstufe. Das ist aber eher ein Exot und wir sind ansonsten froh, wenn wir diese Schüler in einem ersten Schritt in eine Berufsausbildung bringen – was nicht an der Intelligenz der Kinder liegt, sondern viel mit Sprachkenntnissen zu tun hat.

In der gemeinsamen Sitzung der drei Bildungsausschüsse klang durch, Sie könnten sich eine eigene Oberstufe an der NOG durchaus vorstellen?

Es gibt eine mit der Bildungssenatorin getroffene Vereinbarung dazu, dass in den nächsten drei bis vier Jahren definitiv keine weitere gymnasiale Oberstufe im Bremer Westen entstehen wird. Und auch danach überhaupt nur dann, wenn die Zahlen das hergeben. Wenn wir tatsächlich drei zusätzliche Klassenverbände bekommen, dann spricht auch nichts dagegen – alles andere aber würde andere Oberstufen kaputt machen. Übrigens kriegen wir aktuell drei Klassenverbände, also rund 90 Schüler, aus anderen Stadtteilen wie Oberneuland oder Schwachhausen zusammen. Ein neuer Standort würde dazu führen, dass wir am Ende des Tages vier kleine – und unattraktive – Oberstufen hätten. Man würde also ein tolles existierendes und überlebensfähiges Angebot zu einem kleineren unattraktiven Angebot machen. Das wäre für die Region völlig irrwitzig.

Wie beurteilen Sie das aktuelle Bildungsangebot im Bremer Westen?

In ganz Bremen gibt es keine Bildungslandschaft, die an Qualität und Quantität so viel bietet wie der Bremer Westen! So können Schüler zum Beispiel am Schulzentrum Grenzstraße Abitur machen und am Schulzentrum Utbremen gibt es interessante duale Bildungsangebote. Nicht zu vergessen die Berufsschule für den Großhandel, Außenhandel und Verkehr (BS GAV) oder das Technische Bildungszentrum Mitte. Das ist super – und es ist goldrichtig, dass die Stadtgemeinde hier, in einem Gebiet mit einer hohen sozialen Benachteiligung, solch ein vielfältiges Bildungsangebot vorrätig hält, um die Bildungsbeteiligung langfristig zu erhöhen.

Die Fragen stellte Anne Gerling.

Gymnasiale Oberstufe

Seit Jahren fordern Eltern und Ortspolitiker in Gröpelingen eine eigene Gymnasiale Oberstufe in ihrem Stadtteil. Anfang Februar war im Rahmen einer gemeinsamen Bildungsausschusssitzung des Findorffer, Waller und Gröpelinger Beirats die Diskussion darüber erneut entflammt. Über Sinn und Notwendigkeit eines solchen Angebots sprach unsere Stadtteil-Reporterin Anne Gerling mit Börje Horn.