Weser Kurier, 26.9.2016 Der Superlehrer Robert Wisz von der Europaschule Utbremen erhält für seinen innovativen Unterricht den Deutschen Lehrerpreis

VON LISA-MARIA RÖHLING

Bremen. Nett, begeisternd, locker, streng, fordernd, motivierend: Die Ansprüche, die mitunter von Schülern und Eltern an Lehrkräfte gestellt werden, sind ziemlich utopisch. Dass Einige von ihnen doch manchmal nah herankommen an diesen Wunschkatalog, scheint schier unmöglich. Doch es gibt sie, die guten Lehrer. Einer von ihnen ist der Englischlehrer Robert Wisz, der an diesem Montag mit dem „Deutschen Lehrerpreis 2016“ ausgezeichnet wird.

Der 46-jährige Wisz ist der einzige Lehrer aus Bremen, der 2016 ausgezeichnet wurde. Insgesamt 16 weitere Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Deutschland wurden von 4500 Schülern und Lehrkräften mit dem Preis geehrt. Seit 2009 vergeben die Vodafone Stiftung und der Deutsche Philologenverband die Auszeichnung an jene Lehrer, die im Bereich „Schüler zeichnen Lehrer aus“ von ihren eigenen Schülern vorgeschlagen werden. Bildungssenatorin Claudia Bogedan betont, wie wichtig solche Pädagogen für den gesamten Schulbetrieb sind: „Wir brauchen Lehrer, die Spaß am Lernen vermitteln.“

Genau das macht Robert Wisz. Der gebürtige Amerikaner ist 2002 nach Deutschland gekommen, 2006 kam er im Rahmen eines Lehreraustauschprogramms an die Europaschule Schulzentrum Utbremen – und blieb. Hier fühle er sich wohl, sagt Wisz, an der Schule, bei den Schülern, mit seinen Kollegen. Er sei überwältigt, diesen Preis erhalten zu haben und stolz, Bremen auch als Amerikaner vertreten zu dürfen. Und doch: Es mache ihn irgendwie auch sprachlos. Es gebe schließlich so viele andere Lehrer, die genau den gleichen Aufwand wie er betrieben, genauso innovativ arbeiteten und genauso kreativ seien.

Wisz unterrichtet an der Europaschule in 25 Wochenstunden neun unterschiedliche Klassen mit Schülern von 16 bis knapp 30 Jahren. In einer dieser Klassen sitzt auch Eda Kurtoglu, 17, die ihren Englischlehrer für den Lehrerpreis vorgeschlagen hat. Die Begründungen von ihr und ihren Mitschülern sind ganz vielfältig: Sie loben seine Kreativität, die Praxisorientierung im Unterricht, seine Motivation und seinen Humor, die individuelle Betreuung, seine Fairness und auch sein außerschulisches Engagement. Spricht man Wisz darauf an, zuckt er mit den Schultern. „Ich habe es immer so gemacht.“ Dabei zeigt schon sein Äußeres, dass er eben doch ein bisschen mehr tut, als viele andere: Auf seinem T-Shirt ist eine Merkformel für einen der häufigsten Fehler im Englischen gedruckt, nämlich „there“ („dort“), „their“ („ihre“) und they‘re („sie sind“). Wo er das her hat? Selber entworfen, selbst drucken lassen. Auch, dass er sich außerhalb des Unterrichts für die schöne Gestaltung der Schule einsetzt, damit sich Schüler und Lehrkörper dort wohler fühlen, ist mehr, als die Berufsbeschreibung eigentlich verlangt.

Wisz geht immer einen Schritt weiter, das zeigt schon sein Zeitplan für die Unterrichtsvorbereitungen: Er steht um drei Uhr auf, um sich ausreichend vorzubereiten. In seinem Unterricht gibt es viel Bewegung, viel Interaktivität, kein stupides Herumsitzen. Er lässt die Schüler außerdem viele Texte schreiben und nimmt sich Zeit für individuelle Korrekturen und genaue Überarbeitungen. Das geht so lange, bis am Ende des Schuljahres jeder fast 20 Aufsätze geschrieben hat. Er möchte sich auf den einzelnen Schüler einstellen können, um sich ihrer Probleme annehmen zu können: Ihm sei es am Wichtigsten, den Schülern beizubringen, dass sie etwas, das sie für unmöglich halten, schaffen können. Da wird das Englischlernen auch manchmal zur Nebensache.

Überhaupt, von all den Standardisierungen, die auf regelmäßiges Testen und ein vorgeschriebenes Bewertungscluster bestehen, hält er nicht viel. Man könne eben nicht einfach mit einer festen Zielsetzung für ein bestimmtes Sprachniveau den Unterrichtsplan durchbringen. „Das sind keine Maschinen, das sind Menschen.“ Natürlich müsse irgendwann eine Bewertung her, um auch den Schülern zu vermitteln, wo sie stehen. Er glaube nur, dass es da andere Wege gebe.

Praxisorientierung ist sein großes Stichwort. Das setzt er besonders mit den Berufsschülern um, die mit ihrer Schulausbildung auch eine praktische Tätigkeit ergänzen. So versucht er, mit Chemielaboranten auch fachbezogene Themen zu bearbeiten und ihren Interessen zu folgen, um einen Sprachschatz aufzubauen, der sie in der beruflichen Laufbahn weiterbringt. Da werden im Klassenzimmer auch mal Utensilien wie Chromatographen ausgepackt, die im Sprachunterricht sonst nichts zu suchen haben. Hier ist Teamarbeit gefragt: Wisz kooperiert eng mit seinen Fachkollegen, um den Berufsschülern einen passenden Englischunterricht zu bieten. Zwar könne er in Chemie und Physik sicher nicht alle fachlichen Fragen klären, aber er versuche, sich mit Unterstützung anderer Lehrer und mit Hilfe von Fachbüchern so viel wie möglich anzueignen. Ohne die Kollegen, darauf besteht er, könne er das alles nicht machen.

Einen Mittelweg zwischen dem Lernziel und den individuellen Anforderungen der Schüler zu finden, das sei mitunter gar nicht einfach, denn gewisse Erwartungen müsse er dann doch nach Lehrplan erfüllen. Die optimale Unterrichtsdurchführung schafft er gemeinsam mit den Schülern: Er arbeitet in allen Klassen mit ihrem Feedback, um sich ihren Wünschen und ihrem Lerntempo anzupassen. Ein echt netter Lehrer. Ob es da auch negative Seiten gibt? „Ich bin überhaupt kein Kuschelpädagoge“, stellt Wisz klar, er sei manchmal sehr streng und nahezu zickig, „eine kleine Diva“.

So ein Lehrerpreisgewinner ist ja auch nur ein Mensch, und keine Maschine.