Weser Kurier, 04.09.2017 Alternative statt Konkurrenz Auch an den Beruflichen Gymnasien kann das Abitur erworben werden − Schulleiter rühren Werbetrommel

Warben im Waller Bildungsausschuss für das Abitur an Beruflichen Gymnasien: Matthias Möller (v. l.) vom Schulzentrum Walle, Stefanie Lehfeld (SZ Grenzstraße), Maja Olerich (SZ Utbremen), Peter Hons (SZ Grenzstraße) und Jan Benje (Technisches Bildungszentrum Mitte, TBZ).

Warben im Waller Bildungsausschuss für das Abitur an Beruflichen Gymnasien: Matthias Möller (v. l.) vom Schulzentrum Walle, Stefanie Lehfeld (SZ Grenzstraße), Maja Olerich (SZ Utbremen), Peter Hons (SZ Grenzstraße) und Jan Benje (Technisches Bildungszentrum Mitte, TBZ).

VON ANNE GERLING

Walle. In den Herbstferien wird es wieder so weit sein: Dann werden die Elternbriefe an Bremens Neunt- und Zehntklässler verschickt. Darin enthalten sind Informationsmaterialien und Anmeldebögen für die Gymnasiale Oberstufe. Was womöglich viele Schüler und Eltern beim Blättern in den seitenlangen Auflistungen übersehen: In Bremen gibt es neben den Gymnasialen Oberstufen an Oberschulen und Gymnasien sechs Berufliche Gymnasien, an denen Jugendliche das Abitur machen können.

Allein drei dieser Angebote – das Berufliche Gymnasium für Ernährung am Schulzentrum Rübekamp, das Berufliche Gymnasium für Wirtschaft (BGW) am Schulzentrum Grenzstraße und das Berufliche Gymnasium für Gesundheit und Soziales am Schulzentrum Walle – sind in Walle. In der Nachbarschaft liegt außerdem auch das Berufliche Gymnasium für Technik am Technischen Bildungszentrum Mitte (TBZ) An der Weserbahn. Links der Weser bieten außerdem das Berufliche Gymnasium für Gestaltung und Multimedia an der Wilhelm-Wagenfeld-Schule in Huchting und die Beruflichen Schulen für Hauswirtschaft und Sozialpädagogik im Schulzentrum Neustadt weitere inhaltliche Schwerpunkte an. Kennen aber überhaupt alle Bremer Schüler diese Schulen und wissen sie, dass sie auch dort ein „ganz normales“ und nicht „nur“ das Fachabitur machen können? Darüber hat nun der Fachausschuss „Schulische Bildung, Weiterbildung und Migration“ des Waller Beirats mit Schulleitern aus Walle gesprochen, die Bremens Berufliche Gymnasien gerne bekannter machen möchten.

„Klebeeffekt“ wirkt sich aus

Die Beruflichen Gymnasien haben neben ihrem niedrigen Bekanntheitsgrad auch das Problem, dass sie – unfreiwillig – mit den anderen Schulen konkurrieren müssen, erklärt Peter Hons, Leiter des Schulzentrums Grenzstraße: „Es gibt immer mehr Oberschulen, die Oberstufenprofile aufbauen. Eine gleichbleibende Zahl von Schülern muss sich also auf mehr Angebote verteilen.“ Dabei haben seiner Ansicht nach die Beruflichen Gymnasien dann oft das Nachsehen – Stichwort „Klebeeffekt“: „Die Schüler bleiben da, wo sie sind. Denn sie wissen oft gar nicht, dass sie bei uns das gleiche Abitur machen können wie an anderen Schulen.“

So dächten viele Bremer im Zusammenhang mit der Grenzstraße immer noch an die „Höhere Handelsschule“ und das „Wirtschaftsabi“, das Schüler hier einst ablegen konnten. Dies habe aber nichts mehr mit dem im Jahr 2000 gegründeten Beruflichen Gymnasium für Wirtschaft zu tun, unterstreicht Hons. An sämtlichen Beruflichen Gymnasien können Schüler die allgemeine Hochschulreife erlangen, mit der sie später jedes Studium und jeden Ausbildungsberuf ergreifen können. Einziger Unterschied sind dabei die Profile, die die Schüler mit der Anmeldung für die Oberstufe wählen. Ein Profil besteht jeweils aus einem Leistungsfach und zwei oder drei Grundfächern. Die Profile der Beruflichen Gymnasien orientieren sich dabei zwar an Berufsfeldern – sie bereiten aber nicht auf einzelne Berufe vor.

Dementsprechend können die Beruflichen Gymnasien für viele Schüler attraktive Alternativen sein, je nach Neigungen und Interesse: Wer sich zum Beispiel besonders für Ernährung, Informatik, Naturwissenschaften, Design oder für den Gesundheitsbereich interessiert, der kann an den Beruflichen Gymnasien die genau dazu passenden Profile wählen. Das Lernen orientiere sich dort außerdem stark an der Fachpraxis, wie Hons’ Stellvertreterin Stefanie Lehfeld unterstreicht. „Wir möchten als kompetente Partner gesehen werden und nicht als Konkurrenz“, unterstreicht sie. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit der Einführung des „Tags der beruflichen Bildung“ gemacht, an dem mittlerweile jedes Jahr an Oberschulen und Gymnasien über weitere schulische Angebote informiert wird. Verstärkt sprechen die Beruflichen Gymnasien nun außerdem Berufsorientierungskräfte an den Schulen an, damit diese ihre Schüler zukünftig passgenauer beraten können.

Und die Waller Ortspolitiker haben die Beruflichen Gymnasien nun auch hinter sich: Der Bildungsausschuss will nun die Bildungsbehörde auffordern, im jährlichen Elternbrief vor dem Übergang in die Sekundarstufe II „die Gleichwertigkeit des Abiturs an Allgemeinbildenden und Beruflichen Gymnasien durch eine entsprechende graphische und sprachliche Darstellung hervorzuheben.“ Anders als die Gymnasialen Oberstufen seien übrigens die Beruflichen Gymnasien ausschließlich frei anwählbar und keinen einzelnen Oberschulen zugeordnet, sagt Stefanie Lehfeld und betont: „Ich bin seit elf Jahren an der Schule, und wir haben in dieser Zeit noch nie jemanden abweisen müssen.“

Mehr Informationen zu den Beruflichen Gymnasien gibt es unter www.bgy-bremen de. Alternative statt Konkurrenz