Als ich an einem kalten Februarmorgen um 5:30 Uhr an der Schule stehe, ist der wenige Schlaf der letzten Nacht noch zu spüren. Auf dem Weg zum ersten Ziel unserer Reise, Terezín (ehemals Theresienstadt), konnte dieser zum Glück noch ein wenig nachgeholt werden.
Als wir in Terezín ankommen, wirkt es trotz eines Grundwissens über die Vorgeschichte wie ein kleines, freundliches Dorf. Umso mehr wir am Dienstag von unserem Guide Matteo über das ehemalige Ghetto lernen, umso mehr verliert das Dorf in meinen Augen jedoch von seiner Idylle. Nachdem Matteo uns alles von ehemaliger SS-Kommandantur bis zum Kolumbarium, dem Urnengewölbe, gezeigt hat, haben wir uns am Nachmittag mit einem Workshop beschäftigt. In dem Workshop „Von der Nummer zum Namen“ arbeiten wir in Gruppen auf kreative Weise die Lebensgeschichten von verfolgten Menschen der NS-Zeit auf. Dadurch werden die davor gesammelten Eindrücke biografisch und viel persönlicher. Nach einer Vorstellung unserer Ergebnisse geht der erste komplette Tag in Theresienstadt mit vielen Eindrücken zu Ende.
Der Mittwochmorgen startet wieder mit einem Workshop, viel Zeit um die gesammelten und inzwischen angestauten Gedanken zu verarbeiten, bleibt nicht. Nach dem Mittagessen geht es dann in die „Kleine Festung“, ein ehemaliges Gestapo-Gefängnis, welches sich am Stadtrand befindet. Auch dort ist, wie zu erwarten, nicht die Zeit, die eigenen Gedanken und Eindrücke zu ordnen. Es kommen nur immer mehr und mehr hinzu. So kommt es, dass viele, inklusive mir, nicht zurück mit ihren Freund:innen laufen. Man brauchte einfach Zeit für sich und so unternehme ich allein nach der Führung durch die kleine Festung erst einmal einen großen Spaziergang. Es ist schön, die Zeit für sich zu haben, allerdings auch ein wenig befremdlich.
Das Gefühl von „Ich laufe gerade alleine durch eine Straße, in der die Menschen vor nicht einmal einem Jahrhundert nur davon träumen konnten, einmal allein zu sein - Zeit für sich zu haben“, ist irgendwie immer im Kopf.
Es folgt der Donnerstag und wir verlassen Terezín. Es geht nach Lidice, ein weiterer Ort, an dem schrecklichen Dinge passiert sind. Wir stehen vor einer Mauer, an der Massenerschießungen stattgefunden haben. Ich stehe da, mein Kopf voll mit Gedanken der letzten Tage und frage mich: „Warum tue ich mir das an?“ Dann fällt es mir ein: Ich möchte lernen und Eindrücke sammeln, um diese mit anderen Menschen zu teilen. Nachmittags geht es aus Lidice nach Prag, um der Fahrt ein stimmiges Ende zu geben. Am nächsten Morgen gibt es dann noch eine Führung durch das Jüdische Viertel in Prag und schließlich geht es am Nachmittag wieder mit dem Bus Richtung Bremen.
Ich finde, solche Reisen sind sehr wichtig. Es waren viele Impressionen, davon auch viele, die nicht so schnell aus dem Kopf gehen. Trotzdem bin ich dankbar für jede einzelne. Gedenkstättenfahren öffnen einem immer wieder die Augen und bringen einen dazu, Dinge zu überdenken. Dies ist gerade in der aktuellen Zeit, in der auf nahezu allen Kontinenten von einem Rechtsruck zu sprechen ist, enorm wichtig. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen eine solche Fahrt machen. Denn unsere höchste Maxime sollte sein, dass so etwas wie zu Zeiten der NSDAP nie, nie wieder passiert.