Gedenkstättenfahrt ins Konzentrationslager nach Auschwitz in Kooperation mit der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus und Foto-Austellung in der Aula am Antirassismus-Tag.
Die ehemalige Präsidentin des deutschen Bundestages, Rita Süßmuth, charakterisierte in ihrer Rede zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 19. Januar 1996 das Erinnern als eine Tätigkeit, die Entsetzen auslöst und weh tut. Doch gerade junge Menschen wollen sich mit der gesellschaftlichen Vergangenheit auseinandersetzen. „Sie möchten bewusst machen, vorbeugen und verhindern. Die Jugendlichen wollen diese Aufgaben mit Leben erfüllen, weil die Gefahren und Gefährdungen, die durch Radikalismus, Extremismus, Menschenverachtung und nationale Hybris entstehen, mit dem Ende des Nationalsozialismus nicht für immer beseitigt wurden“, machte Rita Süßmuth deutlich. Auch über 20 Jahre nach der Rede wollen sich junge Menschen mit Vergangenheit und Erinnern auseinandersetzen, auch weil immer noch Kontinuitäten und Bewegungen existieren, die menschenverachtend und nationalistisch sind. Dieses Bedürfnis hat die Antirassismus-AG des Schulzentrums SII Utbremens zusammen mit der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus zum Anlass genommen und erstmals eine gemeinsame Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim (dt.: Auschwitz) angeboten.
Auf die offene Ausschreibung gab es über 50 Anmeldungen. Es wurde deutlich, dass sich die Schüler:innen mit Extremismus und menschenverachtenden Ideologien der Vergangenheit und der Gegenwart auseinandersetzen wollen. Bedauerlicherweise konnten trotz der hohen Nachfrage nur 22 Schüler:innen aufgrund geringer Kapazitäten an der Fahrt teilnehmen. Einen kurzen Einblick vor und während der Fahrt gewährt der Erfahrungsbericht von Damon Danowski aus der ITA 18 (siehe unten).
Die Teilnahme an der Fahrt war eingebettet in einen zweitägigen Vorbereitungsworkshop in der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus sowie einem halbtägigen Abschlussworkshop am SZ Utbremen. Die Teilnehmer:innen sollten historische sowie ideologische Grundlagen kennenlernen, um den Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau einsortieren zu können.
Auf der sechstägigen Gedenkstättenfahrt haben die Schüler:innen in jeweils vierstündigen Führungen das sogenannte Stammlager „Auschwitz I“ sowie das große Vernichtungslager „Auschwitz II Birkenau“ besichtigt. In den anschließenden Reflexionsräumen wurden Eindrücke, Gedanken und Fragen unter den Teilnehmenden ausgetauscht. Aber auch Bezüge zur heutigen Zeit konnten hergestellt werden und Kontinuitäten rassistischer und diskriminierender Gewalt wurden besprochen.
Den Abschluss der Gedenkstättenfahrt bildete eine selbstorganisierte Ausstellung der Teilnehmer:innen zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am SZ Utbremen. Die Teilnehmenden dokumentierten während der Fahrt ihre Eindrücke und Gedanken, die sie anschließend in einer Eröffnungsausstellung einem breiten Publikum zugänglich machten. Eine Auswahl der Ausstellungsstücke konnten in der Schulaula mehrere Wochen besichtigt werden. Daneben haben die Teilnehmenden eine eigene Webseite erstellt, um ihre Eindrücke und Auseinandersetzungen zu dokumentieren. Die Bilder und Texte können unter www.27januar.eu abgerufen werden.
Aufgrund der hohen Nachfrage sowie der vielen positiven Rückmeldungen aus dem Kollegium und der Schülerschaft, hat die Antirassismus-AG und das Lidice-Haus beschlossen, auch im kommenden Schuljahr eine Gedenkstättenfahrt durchzuführen - sofern dies aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie möglich ist. Unabhängig davon wollen wir an unserer Schule eine stetige und insbesondere multiperspektivische Erinnerungskultur etablieren. Ganz im Sinne von Rita Süßmuth sind wir der Überzeugung, dass Kompetenzen für die Gestaltung der Zukunft in einem engen Zusammenhang mit der Erinnerung an Vergangenes stehen: „Sich den bedrückendsten Wahrheiten unserer Geschichte zu stellen, ist unverzichtbar. Dazu verpflichten uns die Opfer, ihre Angehörigen und Nachkommen. Aber es ist auch für uns selbst notwendig, damit wir den unauflöslichen Zusammenhang von Erinnerungs- und Zukunftsfähigkeit begreifen.“
Bevor wir nach Polen gefahren sind, haben wir erst einmal an einem Vorbereitungsseminar im Lidice-Haus Bremen teilgenommen. In erster Linie ging es um das gemeinsame Kennenlernen unter den Teilnehmenden. Gleichzeitig konnten wir unsere Erwartungen und Befürchtungen an die Fahrt äußern. Bereits aus meinem vorherigen Schulunterricht kannte ich den Ort Auschwitz und welches menschenverachtende Verhalten dort vollzogen wurde. Daneben hatte ich sofort dieses Bild im Kopf - von einem komplett in Nebel umhüllten Auschwitz-Birkenau, welches ich schon angsteinflößend fand. Für mich war das Seminarwochenende sehr spannend und ich war umso mehr auf die Fahrt gespannt.
Während wir über das Lager Birkenau gelaufen sind, kam mir alles so riesig vor, da wir den Tag zuvor im Stammlager von Auschwitz I gewesen sind und es mir dort vergleichsweise winzig vorkam. Während der Fahrt hat sich für mich die Aussage bestätigt, dass wir zwar keine Schuld tragen, an dem was passiert ist, jedoch in der Verantwortung stehen, dass das, was passiert ist, nie wieder passieren darf. Ich kann jedem einen Besuch in Auschwitz empfehlen, da die Tour und der gesamte Ort sehr nachdenklich stimmen. Ich konnte viel neues Wissen für mich mitnehmen und der Besuch vor Ort ist durch die eindrücklichen Bilder sehr prägend gewesen. Das kann ein Schulunterricht meines Erachtens nicht leisten. Deshalb bin ich dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben.