17. März 2014 5. Anti-Rassismus-Tag

Schüler der Klasse BOW13B von der Europaschule Schulzentrum SII Utbremen laden am 03.03.2014 zu einer feierlichen Verlegung von zwei Stolpersteinen ein. Der Künstler Gunter Demnig verlegt die beiden Steine um 11:00 in der Straße Am Wall 164. Diese werden zu Ehren von Bianca Martens und Dr. Friedrich Martens verlegt, welche an dieser Stelle bis zum Jahr 1944 gelebt und gearbeitet haben, bis sie Opfer nationalsozialistischen Terrors wurden.

 

Für den diesjährigen Anti-Rassismus-Tag am 17. März 2014 haben sich die Schülerinnen und Schüler der Anti-Rassismus-AG und der Klasse BOW13B der Europaschule Schulzentrum SII Utbremen etwas Besonderes ausgedacht. Sie sammelten insgesamt knapp 300 Euro, um die Verlegung von zwei Stolpersteinen durch den Bildhauer Gunter Demnig zu finanzieren. Die Organisation dieser Verlegung erfolgte eigenständig durch die Schüler im Unterrichtsfach „Angewandtes Projektmanagement“, in dem die Schüler lernen, selbstständig ein bestimmtes und weitgehend selbst gewähltes Projekt zu planen, zu organisieren und natürlich auch durchzuführen. Die Verlegung findet bereits zwei Wochen vor dem Anti-Rassismus-Tag statt, damit die beteiligten Schüler am 17. März vor der gesamten Schule von ihren Erfahrungen und Erlebnissen während dieses Projektes berichten können.

Die Projektgruppe wird ihr Projekt vor der gesamten Schule in zwei Durchgängen präsentieren.

 

Die Stolpersteine erinnern an das Schicksal zweier Bremer Bürger, die dem faschistischen Terror zum Opfer fielen und ermahnen uns, gegen jede Form von Rassismus aktiv vorzugehen!

 

Bianca Martens, geb. Singer

geb. 19.3.1882 in Cottbus

gest. 19.10.1944 in Bremen

Bianca Singer, jüdischen Glaubens, war seit dem 22.2.1906 mit dem Zahnarzt Dr. Fritz Martens (geb. 22.6.1880 in Verden, gest. 1.6.1968 in Bremen) verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Töchter: Ilse und Anneliese. Fritz Martens war seit 1905 in Bremen als Zahnarzt tätig. Wohnung und Praxis waren Am Wall 164.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme begannen die Repressionen gegen das Ehepaar. Die zunehmenden Einschränkungen für die jüdische Bevölkerung wirkten sich auch im Tagesablauf in der Zahnarztpraxis aus. Bianca Martens durfte das Sprechzimmerihres Mannes während der Sprechstunden nicht mehr betreten, sie durfte den Patienten nicht die Tür öffnen. Da ihr Ehemann als "jüdisch versippt" galt, führte dies zu wirtschaftlichen Einbußen. Es wurden u.a. Zettel verteilt, in denen Parteimitglieder aufgefordert wurden, nicht zu einem "jüdisch versippten Arzt" zu gehen; die entsprechenden Namen waren darauf aufgeführt. Es kam zu regelmäßigen Belästigungen durch die Gestapo. Der Tochter Anneliese wurde für eine beabsichtigte Heirat ein Ehefähigkeitszeugnis verweigert. Der Tochter Ilse, die Diakonisse war, wurde das staatliche Examen aberkannt.

Am 9.10.1944 wurde Fritz Martens schließlich verhaftet und in das Arbeitserziehungslager Farge eingewiesen. Am 17.10. wurde er in das Arbeitserziehungslager Lenne überführt und blieb dort bis zum 16.12.1944. Nach seiner Verhaftung beschlagnahmte die Gestapo Teile der Wohnung und verlangte deren Räumung. Bianca Martens hielt diesem Druck nicht mehr stand und nahm sich am 19.10.1944 mit einer Überdosis Veronal das Leben.

Sie verstarb im St.-Joseph-Stift und wurde am 27.10. auf dem Riensberger Friedhof beigesetzt.

Für Fritz Martens führten die ungewohnten schweren Erdarbeiten im Arbeitserziehungslager, bei schlechtem Wetter, teilweise im Wasser stehend, zu bleibenden Gesundheitsschäden.

Der spätere Senator Wilhelm Nolting-Hauff, der auch im Arbeitserziehungslager

Lenne inhaftiert war, berichtete in seinen Erinnerungen, dass nach dem Tode Bianca Martens die Inhaftierten im Lager eines Abends anzutreten hatten. Der Lagerkommandant rief Fritz Martens hervor und erklärte "feierlich", "...dass er sich freue, den 'Herrn Doktor', den er bisher nur mit dem Nachnamen angeredet hatte, als nunmehr unbelasteten deutschen Volksgenossen begrüßen und ihm den roten Streifen abnehmen zu können..." (roter Streifen = Häftlingskennzeichnung).

(Stand 16.01.2014)

Verfasser: Peter Christoffersen (2014), Quellen: Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E524 und Nolting-Hauff, Wilhelm: „Imis“ – Chronik einer Verbannung, Bremen 1946

 

Aber das ist nicht alles. Im Anschluss an die Projektpräsentationen werden die angemeldeten Klassen eine kinematografische Vorstellung im Schauburg-Kino besuchen. Nach einigen Verhandlungen ist es der Anti-Rassismus-AG gelungen, den Film „Das radikal Böse“ des Oskar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky exklusiv für unsere Schule nach Bremen zu holen.

Der Film zeigt auf komplexe Weise, wie normale Menschen unter gegebenen Bedingungen zu Verbrechern wurden. Der Film will verstehen, warum Menschen zu Menschenfeinden werden. So wird auch der „ideelle Humus“, auf dem der Antisemitismus seine monströsen Blüten treiben konnte, unmittelbar erfahrbar.

Der Film wagt den Versuch einer Erklärung, ohne die Taten zu entschuldigen.

„Das radikal Böse“ beschreibt aber nicht nur einen vermeintlich abgeschlossenen Teil unserer Geschichte, der Film wirft auch einen Blick in die Zukunft und liefert ein Plädoyer gegen Rassismus und Völkermord hier und heute.